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Fernwärme-Vision 2040

Die Stadtwerke München gaben 2012 den Plan ihrer Fernwärme-Vision 2040 bekannt. Ziel dieser Vision ist es, die Fernwärme in München bis 2040 komplett aus regenerativen Energien zu gewinnen und somit CO2-neutral zu gestalten.

Bei Start der Initiative war München bereits eine der führenden Städte in Deutschland bezüglich der Nutzung von Fernwärme. Mit einem Fernwärmenetz von ca. 800km und der Produktion von 70 Prozent des benötigten Stroms in Kraft-Wärme-Kopplungs-Kraftwerken war die Basis für eine erfolgreiche Vision gelegt.

Um das Ziel der Neutralität zu erreichen, soll Geothermie als Hauptwärmequelle eingesetzt werden. Die dadurch generierte Wärme soll zwei Drittel der gesamten Wärmeproduktion ausmachen. Ein weiteres Drittel soll dann durch Kraft-Wärme-Kopplungs-Kraftwerke (KWK) substituiert werden, die wiederum mit regenerativen Energien wie Wasserstoff oder Biomethan betrieben werden. Neben den neu generierten Produktionsstätten sah man als wichtigen Baustein die Modernisierung des Fernwärmenetzes an. Neben dessen Ausbau ist vor allem die bessere Wärmeisolierung wichtig, um die aus dem Boden entnommene Wärme auf dem Weg zu den Häusern nicht zu verlieren. Um bereits 2040 die CO2-Neutralität zu erreichen, muss die Geothermie durch weitere flankierende Maßnahmen zunächst unterstützt werde.

Bohrungen in Freiham / Quelle: SWM/Steffen Leiprecht

1. Was genau ist Geothermie?

Das Umweltbundesamt definiert die Geothermie als „die in der Erdkruste gespeicherte Wärmeenergie und die ingenieurtechnische Nutzung“. Geothermie kann zum Heizen, Kühlen und zur Stromerzeugung genutzt werden. Dabei wird generell zwischen zwei Arten unterschieden:

  • Oberflächennah (bis zu 400m Tiefe): Hierbei sind Wärmepumpen erforderlich, da die Bohrtiefe gering ist und sie Wärme nicht ausreicht.
  • Tiefe Geothermie (bis zu 5.000m Tiefe): Durch die sehr hohe Bohrtiefe können ganze Stadtteile mit der dort gewonnenen Wärme versorgt werden.

Der große Vorteil gegenüber anderen regenerativen Energien ist die ganzjährige Nutzbarkeit der Geothermie, die von Wetter und äußeren Begebenheiten unabhängig ist.

Neben der Wärmeerzeugung kann durch Geothermie auch Strom erzeugt werden, indem das heiße Wasser aus dem Erdreich indirekt Wasserdampf erzeugt und damit Turbinen und Generatoren angetrieben werden. Die dabei anfallende Restwärme kann wiederum in das Fernwärmenetz eingespeist werden.

Ein ökologisch wichtiger Aspekt ist hierbei, dass das Wasser nie den Kreislauf verlässt und das Grundwasser somit geschützt bleibt. Sowohl bei der Fernwärme- als auch Stromerzeugung erfolgt die Wärmegewinnung indirekt über Wärmeabnehmer oder Hilfsflüssigkeiten (zur Wasserdampferzeugung).

Funktionsweise von Geothermie zur Strom- und Wärmeerzeugung

2. Historie und Stand der Fernwärmerzeugung in München

Derzeit gibt es insgesamt 5 Geothermie-Anlagen im Münchener Stadtgebiet, die alle von den Stadtwerken München betrieben werden. In diesen Anlagen befinden sich acht sogenannter Dubletten, also Förderpunkte. Bis 2035 möchten die Stadtwerke insgesamt 17 Dubletten betreiben, die dann bis zu 2.500 GWHth/Jahr erzeugen sollen.

Name/Ort
Betrieb seit
Technische Daten
Information
Geothermie-Anlage Riem
2004
Wasser mit bis zu 98°C aus ca. 3.000 Metern gefördert.
Pro Sekunde: 90 Liter Wasser gefördert
 
Geothermie-Heizkraftwerk Sauerlach
2013
Es wird Wasser mit bis zu 140°C aus ca. 4.500 Metern gefördert.
Das heiße Wasser lässt ein Arbeitsmittel verdampfen und treibt dadurch Turbinen an.
Es werden bis zu 40. Mio kWh Strom jährlich erzeugt. (= Bedarf von ca. 16.000 Münchner Haushalten.
Perspektivisch ist das Ende der Stromproduktion und der Anschluss an das Münchner Fernwärmenetz geplant.
Geothermie-Anlage Freiham
2016
Es wird Wasser mit bis zu 90°C aus ca. 2.500 Metern gefördert.
Beheizung des Stadtteils Freiham.
Wurde 2020 als effizienteste geothermische Wärmeanlage Bayerns ausgezeichnet.
Geothermie-Anlage Dürrnhaar und Kirchstockach
2012

Dürrnhaar: Wasser mit bis zu 135°C aus ca. 3.700 Metern gefördert.

Kirchstockach: Wasser mit bis zu 140°C aus ca. 3.750 Metern gefördert.

Von den Stadtwerke 2016 erworben.
In den beiden Anlagen wird Ökostrom für mehr als 32.000 Haushalte produziert. Sie sollen zur Wärmeerzeugung umgerüstet und an das Münchner Fernwärmenetz angeschlossen werden.
Geothermie-Anlage Heizkraftwerk Süd
 
Seit 2020 (Testbetrieb)
Es sollen pro Sekunde ca. 120 Liter Wasser mit bis zu 95°C aus ca. 4.300 Metern gefördert werden.
Stand Mai 2022: Die Anlage ist immer noch in Testbetrieb, obwohl 2020 Inbetriebnahme geplant war.
Geothermie-Anlage Michaelibad
Bau ab 2024, Inbetrieb-nahme 2029 geplant
Über Temperatur und Fördertiefe/-menge gibt es derzeit keine Angaben.
Die Anlage soll 75.000 Haushalte mit Wärme versorgen.
Die Geothermie-Anlage Sauerlach / Quelle: SWM

 

3. Die Bausteine der Fernwärmevision 2040

Auch wenn die Geothermie als Hauptstrategie gesehen wird, um bis 2040 CO2-neutrale Wärme zu erzeugen, lässt sich die Fernwärmevision als ein vielschichtiges Projekt bezeichnen. Im Rahmen der Fachtagung „Geothermie und geologische Wärmespeicherung“ stellte Christine Cröniger von den Stadtwerken München die insgesamt sieben Bausteine der Fernwärmevision vor:

  1. Thermische Abfallverwertung (Wärmeproduktion durch Müllverbrennung)
  2. Geothermie
  3. CO2-neutrale Spitzenlastdeckung
  4. Flexibilisierung und Ausbau Wärmetransport
  5. Optimierung Kundenanlagen (Weniger Wärmeverlust)
  6. Dampfnetzumstellung
  7. Saisonale Wärmespeicherung

4. Wärmetransport- und Speicherung

Für den Fernwärmetransport werden in München derzeit zwei verschiedene Netze betrieben, ein Dampfnetz innerhalb des mittleren Rings und die später entstandene Heizwassernetze etwa in Sendling, Perlach und Freimann. Das Problem an den Dampfnetzen ist, dass das Wasser aus der Geothermie dort nicht eingespeist werden kann und somit für weite Teile der Stadt eine Erneuerung des Wärmenetzes notwendig ist. Um die Dampf- auf Heizwassernetze umzustellen, müssen sowohl die Leitungen (in Straßen und Gehwegen) als auch die Wärmeübergabestationen in den Häusern angepasst werden). Derzeit planen die Stadtwerke zwischen 2022 und 2028 in verschiedenen Abschnitten die notwendigen Anpassungen der Netze abzuschließen. 2022 wurden in den Gebieten Berg am Laim und Ramersdorf 2.700 Haushalte auf das neue Heizwassernetz umgestellt.

Als weitere Herausforderung gilt die Frage, inwiefern die Bereitstellung der gewonnenen Wärme gerade zu Zeiten des hohen Wärmeverbrauchs gewährleistet werden kann. Für die saisonal bedingte Nachfrage (Winter mehr als Sommer, abends mehr als morgens etc.) muss man flexibel reagieren können. Derzeit werden für kurzzeitige Schwankungen Warmwasserspeicher eingesetzt. Die SWM untersucht in einer Studie, inwiefern das auch auf Langzeitschwankungen durch Langzeitwärmespeicher erfolgen kann. Idee ist es, z.B. in unterirdischen Speichern Wärme aus dem Sommer (etwa aus Solarthermie) bis in den Winter zu speichern.

5. Status Quo der Wärmeversorgung

Im Stadtgebiet und in der Region München existiert derzeit ein Fernwärmenetz mit einer Trassenlänge von insgesamt ca. 900 km. Dieses Netz teilt sich in sieben hydraulisch getrennte Heizwassernetze und ein Dampfnetz auf. Derzeit wird ein Großteil der Fernwärme noch mit Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen produziert, die mit Gas, Abfall und Kohle angetrieben werden. Für die Spitzenlast, also die Perioden mit besonders viel Wärmeverbrauch, werden vor allem die mit Erdgas befeuerten Heizwerke verwendet. Ein weiterer, bereits heutzutage wichtiger Baustein als Wärmequelle für Fernwärme ist die Geothermie.

Derzeit sind bereits ca. 21 Prozent des Wärmebedarfs im Ballungsraum München durch CO2-neutrale Technologien abgedeckt, nach Abschluss der Maßnahmen im Rahmen der Fernwärmevision soll dieser Anteil mit den derzeitigen Planungen bei 70 Prozent liegen. Die weiteren 30 Prozent müssen zusätzlich neu definiert und auf wirtschaftliche Tragfähigkeit geprüft werden.

Wo München mit Fernwärme versorgt wird / Quelle: SWM

6. Wärmestudie für die Stadt München

Am 18.12.2019 beschloss der Stadtrat München, bis 2030 eine klimaneutrale Stadtverwaltung zu erreichen und das ursprünglich auf 2050 gesetzte Ziel der Klimaneutralität im Stadtgebiet auf 2035 herabzusetzen. Im Zuge dieser Entscheidung wurde eine Studie zu möglichen Lösungspfaden für klimaneutrale Wärmeversorgung in München erstellt. Diese wurde als gemeinsame Studie der FfE GmbH und des Öko-Instituts e.V. 2021 unter dem Namen „Klimaneutrale Wärme München 2035“ veröffentlicht. Ein Teil der Studie bezieht sich hierbei auf die Fernwärmevision der Stadtwerke und spezifiziert einige der zuvor bereits genannten Bausteine. Die Stilllegung des mit Kohle befeuerten Blocks 2 im Heizkraftwerk Nord, die Umstellung des Dampfnetzes, neue und erweiterte Geothermie-Anlagen und neue Verbindungen zwischen den Fernwärmenetzten könnte demnach die Fernwärmeproduktion aus Geothermie und Umweltwärme auf ca. 370MWth rhöhen. Dies würde den vierfachen Wert gegenüber den ursprünglichen Planungen bedeuten.
Um dies zu erreichen, muss laut Studie jedoch die CO2-Emmission der gasbetriebenen Heizkraftwerke und der Heizwerke des Fernwärmesystems auf null gebracht werden. Dies kann sowohl durch die Umstellung auf klimaneutrale Brennstoffe, den Einsatz von Wasserstoff oder THG-Kompensation bei weiterer Erdgasnutzung erreicht werden.

Neben diesen möglichen Alternativen sieht die Studie die Thermische Müllverbrennung kritisch, die laut Fernwärme-Vision weiterhin ein Eckpunkt der Strategie darstellen soll. Zum einen fallen auch dort weiterhin CO2-Emmissionen an, die kompensiert werden müssten, zum anderen kann es im Zuge von Abfallvermeidungen, besserer Verfahren und Zero Waste-Strategien zu einem erheblichen Rückgang an Müllmengen kommen. Laut der Studie, „Klimaneutrales Deutschland 2050“ von Agora wird das „Aufkommen an Fernwärme aus der Verbrennung fossiler Abfälle bundesweit von 2018 bis 2035 halbiert […] und bis 2045 auf ein Viertel“ [zurückgehen]. Da somit auch für München ein erheblicher Rückgang der Fernwärmeproduktion durch Müllverbrennung zu erwarten ist, sollte bereits jetzt ein Fokus darauf gelegt werden, die Müllverbrennung in München zu reduzieren und durch erneuerbare Energien zu kompensieren.

Die Autoren der Studie stellen jedoch fest, dass die Ambitionen Ihrer Berechnungen über die Vorschläge der Fernwärmevision hinausgehen.


Helge-Uve Braun, Technischer Geschäftsführer der SWM, über die Fernwärmevision:

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